Sie hatte warten müssen. Es war schon fast 11 Uhr, als sie mir
in die OP Schleuse gebracht wurde. Freundlich lächelnd schaute sie mich an.
Die Kollegin, welche sie brachte, machte sich gleich wieder auf den Weg.
Auch in dieser Klinik, einem Maximalversorger, war der Personalmangel überall
zu spüren. Mein Einsatz hier als Honorarpflegekraft in der Anästhesie sollte
dem etwas entgegen wirken. Auf den Stationen gab es solche Entlastung leider
nicht.
Ich überflog kurz die Unterlagen. Fältchen,Luise, 74 Jahre alt, vorgesehen
zur Hüft-TEP rechts. In der Vorgeschichte waren noch ein Diabetes mellitus
sowie eine Demenz vermerkt.
“Guten Morgen, Frau Fältchen, wie geht es ihnen?” Sie lächelte
liebenswürdig und nickte. Um Zeit zu sparen, glich ich ihre persönlichen Daten
mit Hilfe des Armbändchens ab. Die Zeiten zwischen dem Ende einer OP und Beginn
der nächsten müssen möglichst kurz gehalten werden. Ich schob den OP Tisch
neben ihr Bett. “Haben sie heute etwas gegessen oder getrunken?” Wieder nickte
sie freundlich. Ich schaute auf. Eindringlich fragte ich sie erneut.
Ihr Lächeln verschwand. “Ja, hab ich doch gesagt!”
Gesagt hatte sie bisher noch gar nichts, dafür jetzt umso deutlicher. Neben
mir tauchte der Orthopäde auf. Er hatte die Äußerungen von Frau Fältchen
mitbekommen. "Sie ist dement, das nehmen wir jetzt mal nicht so
ernst." "Sie vielleicht nicht,
ich schon." Drohend baute er sich vor mir auf. "Was fällt
ihnen…." "Mir fällt eine ganze Menge ein, zum Beispiel die Sicherheit
meiner Patienten." "Sie halten den ganzen Betrieb auf!" Mittlerweile hatten sich einige Zaungäste
eingefunden, die interessiert zuhörten. Auch den zuständigen Anästhesisten sah
ich heraneilen.
Ich ließ ihn stehen und rief die Station an. Nein, Frau Fältchen hätte ganz
sicher kein Frühstück bekommen, versicherte die Kollegin, sie selbst habe das
Frühstück ausgeteilt. Nun waren sich Operateur und Narkose Doc einig, die
Patientin sollte operiert werden. Skeptisch betrachtete ich die alte Dame.
"Frau Fältchen, was gab es eigentlich zum Frühstück?" Sie lächelte
wieder und setzte sich auf. "Ein schönes Käsebrötchen, hat mir mein Sohn
gestern mitgebracht – für alle Fälle! War genau richtig, denn heute Morgen
haben sie mich beim Frühstück vergessen! Und meine Nachbarin wollte ihren Tee
nicht, den hat sie mir geschenkt! Jawoll!"
Beide Doktoren sahen mich an als hätte ich ihr das Brötchen gegeben.
"Back to sender und bestell den Nächsten." Der Narkose Doktor war
genervt, der Operateur geladen.
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